RASSEGESCHICHTE
Continental Bulldog – Geschichtlicher Hintergrund
Brauchen wir eine neue Rasse?
Brauchen sicher nicht! Wünschen schon!
Brachycephale Hunde haben die Menschen seit jeher fasziniert. Im nahen Osten wurde ein bronzezeitlicher, kurznasiger Hundekopfaus Keramik gefunden, und in Peru fanden Archäologen bei Ausgrabungen plastische Darstellungen eines kurzköpfigen Hundes aus gebranntem Ton, den Hilzheimer (1937) als Chincha Bulldogge bezeichnet hat. Charakteristisch ist bei diesen Keramiken die starke Betonung von Hautfalten im Gesicht und am Körper.
Gefunden wurde ebenfalls das Skelett eines kurzköpfigen Hundes von der Grosse eines Mopses.
Man kann sich fragen, was uns Menschen an diesen brachycephalen Hundegesichtern so fasziniert…
Tatsache ist jedenfalls, dass sich Viele einen nicht zu grossen, kurznasigen Hund wünschen, anatomisch korrekt gebaut und frei von voraus programmierten Gesundheits-problemen.
Diesem Wunsche wird der Continental Bulldog gerecht.
Dass beim English Bulldog in den vergangenen hundert Jahren etliches schief gelaufen ist, kann kein ehrlicher Bulldogzüchter bestreiten. Einst war der English Bulldog ein beweglicher und ausdauernder Hund. Leitbild der Zucht war der Typ der beiden von A.Cooper 1817 gemalten Hunde „Crib“ und „Rosa“. Es waren hochläufige, eher schlanke als massige Hunde, die sich lediglich durch den runden Kopf und den verkürzten Oberkiefer von dem damals noch weit verbreiteten Old English White Terrier (späterer Bullterrier) unterschieden.
Als 1835 in England die Tierkämpfe verboten wurden, hatten die Bulldogs ausgedient. Sie gerieten in weiten Kreisen der Bevölkerung als Hund der Raufer, der Zuhälter und der fahrenden Komödianten in Verruf.
Wegen ihrer Aggressivität gegenüber anderen Hunden waren sie an den nun aufkommenden Hundeausstellungen nicht geduldet, sollte die Rasse überleben, mussten „sanftmütigere“ Hunde gezüchtet werden. Sicher wäre dieses Ziel auch ohne die nun einsetzende Veränderung der äusseren Gestalt des Hundes erreicht worden, aber die Züchter waren offenbar der Meinung, je dicker und schwerfälliger der Hund, umso friedlicher ist er. Im Bulldog Standard von 1865 wurde ein Kopfumfang von mindestens 20 inches ( 50,8cm) gefordert und damit der Weg zu einem anatomischen Unsinn frei gemacht. An warnenden Stimmen, die dies anprangerten, fehlte es nicht. Der bekannte Richter Edgar Farman geisselte mit scharfen Worten in seiner 1899 erschienen Bulldog-Monographie den züchterischen Irrweg und wies auf die grosse Mortalität der Welpen, auf Geburtsschwierigkeiten und herabgesetzte Fruchtbarkeit der Hündinnen hin, und das schon vor 110 Jahren!
Nicht alle Züchter befürworteten die im 20. Jahrhundert einsetzende Übertreibung der rassetypischen Merkmale des Bulldogs und versuchten am alten „Crib-Rosa-Typ“ fest zu halten. Noch 1930 gab es in der Schweiz englische Bulldoggen mit einem ganz knappen Vorbiss, dies belegen Schädel in der Sammlung der Albert Heim Stiftung. 1971 begann der amerikanische English-Bulldog-Züchter David Leavitt mit der Zucht eines leichteren, gesünderen Bulldog-Typs. Sein Ziel war die Rekonstruktion des alten Bulldogs, also eines Hundes mit mehr Bodenabstand, kleinerem Kopf, knappem Vorbiss und gerader Rute. Grossen Wert legte er auf ein sozialverträgliches Wesen seiner Hunde. So entstand ein Hund, der unter der Bezeichnung „Olde English Bulldog“ immer mehr Liebhaber fand. Weil lange Zeit kein verbindlicher Rassestandard bestand und sich auch niemand ernsthaft um eine Anerkennung bemühte, konnte sich bis heute kein einheitliches Rassebild durchsetzen. Die Hunde variieren phänotypisch sehr stark, es bilden sich immer neue „Rassenamen“ und Typen und es existieren ganz verschiedene (offiziell nicht anerkannte) Zuchtbücher. Doch gerade wegen ihrer Uneinheitlichkeit ist bei den OEB’s noch ein breit gefächertes Erbgut vorhanden, das züchterisch genützt werden kann.
Der Weg zurück
Im Buch „Rasseportrait English Bulldog“ (Kynos Verlag, 1993) setzt sich Imelda Angehrn für die Zucht eines gesünderen Bulldoggen – Typs ein und weist nachdrücklich darauf hin, dass viele Richter nicht korrekt nach dem Standard richten und zu schwere, massige Hunde mit übergrossen Köpfen und niedrigem Stand den leichteren und beweglicheren Hunden vorziehen. Korkzieher- oder gar fehlende Ruten gelten für viele als standardkonform.
Imelda Angehrn fordert eine Abkehr von diesen falschen Zuchtzielen, die dem Bulldog ein artgerechtes Leben verunmöglichen, wenn der English Bulldog eine reelle Ueberlebenschance haben soll. Sie ist bestrebt, gesunde Hunde zu züchten und vom ursprünglichen Caniden-Bauplan stark abweichende anatomische Merkmale auf ein verantwortbares Mass zu reduzieren.
Es darf doch nicht mehr sein, dass praktisch alle Hündinnen ihre Welpen per Kaiserschnitt zur Welt bringen müssen. Einige wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Viele Züchter sagen, die Hündin hätte normal geboren, wenn z.B. die ersten beiden Babys natürlich zur Welt kamen und erst dann die Operation nötig wurde. Aber auch ein partieller Kaiserschnitt ist keine normale Geburt. Ohne, dass Kaiserschnitte eine Routine-Operation geworden wären, gäbe es den English Bulldog in seiner heutigen Form nicht.
l. Angehrns züchterisches Leitbild lautet: „An erster Stelle muss die Gesundheit stehen, an zweiter Stelle ein rassetypisches, gutes, sozialverträgliches Wesen, und erst an dritter Stelle kommt die Schönheit“.
Doch mit der heutigen, weltweit verbreiteten Bulldogpopulation ist eine Rückzüchtung auf einen leichteren, belastbareren Typ, wie ihn z.B. der Tiermaler Richard Strebel um 1900 gemalt hat, nicht mehr möglich. Gene, die durch jahrzehntelange Selektion und generationenlange Inzucht einer Population abhanden gekommen sind, kann man aus dieser Population nicht mehr zurückgewinnen. Der Weg führt zwangsläufig über die Einkreuzung verwandter, ähnlicher Typen.
Es war nahe liegend, dass Imelda Angehrn als langjährige, begeisterte English Bulldog Züchterin in ihrem Bestreben, einen leichteren und gesünderen Bulldog zu züchten die Arbeit von David Leavitt in Amerika kannte und verfolgte. Als die Schweizerische Kynologische Gesellschaft die Erlaubnis für solche Einkreuzungs-Versuche gab, suchte sie geeignete Zuchttiere in Amerika und später wurde sie auch hier in Europa fündig. Ziel dieser Kreuzungen war vorerst keineswegs die Schaffung einer neuen Rasse, sondern lediglich die Schaffung eines gesünderen Bulldogs.
Der Continental Bulldog entsteht
Als der Schweizer Club für English Bulldogs (SCEB) und der Arbeitsausschuss für Zuchtfragen (AAZ) der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG) am 06.12.2000 die Bewilligung für versuchsweise Kreuzungswürfe English Bulldog x Old English Bulldog erteilte, war damit ein Grundstein für den Continental Bulldog gelegt.
Ziel der Kreuzungen war eine wesentliche Verbesserung der Gesundheit des English Bulldogs durch eine Reduktion der übertriebenen rassespezifischen Merkmale, die dem Hund ein artgerechtes Leben als Raub-Lauftier verunmöglichen. Der Hund sollte ein typischer Bulldog bleiben und die unbestritten guten Charaktereigenschaften des English Bulldogs beibehalten. Durch den anatomisch richtigen Körperbau und ohne die über-grossen Köpfe und die breit ausladende Schulterpartie, sollten auch wieder normale Geburten möglich sein.
In der ausgiebigen Diskussion um das Für und Wider eines solchen Versuchs machte der grosse Schweizer Kynologe Dr.h.c.Hans Räber (12008) nachdrücklich darauf aufmerksam, dass es auch hier nicht möglich sei, einzelne Merkmale in einem anatomisch ungesund gebauten Körper grundlegend zu verändern, ohne das Aussehen zu tangieren. Der Hund sei als Ganzes zu betrachten, Deutliche Änderungen eines Merkmales ziehen zwangsläufig Änderungen anderer Merkmale nach sich. Sollte eine nachhaltige Verbesserung der gesundheitlichen Probleme des English Bulldogs erzielt werden (Atembeschwerden, Geburtsschwierigkeiten, Kollapsanfälligkeit bei warmem Wetter u.a.m.) so laufe das schlussendlich auf eine neue Rasse hinaus. Als erste Zuchttiere setzte I.Angehrn zwei Old English Bulldogrüden und vier Old English Bulldog Hündinnen ein. Diese wurden mit English Bulldogs aus Angehrns Zucht gepaart. Der erste Wurf fiel am 08.07.2001. Vater war der OEB Rüde Birchwood’s Spike, Mutter die EB-Hündin Pickwick Lady Pinkarella. Ein einziges Mal wurde später ein Bullmastiff Rüde eingesetzt. Er brachte zusammen mit einer CB Hündin einen vielversprechenden Wurf mit typvollen Welpen die als Erwachsene nur am obersten (teilweise darüber) Grössenlimit lagen aber sonst die angestrebten anatomischen Voraussetzungen voll erfüllten.
Wie zu erwarfen war, spalteten die ersten Kreuzungswürfe noch stark in EB-, OEB- und Mischlingstypen auf. Mehrere Tiere kamen aber dem angestrebten Phänotyp eines anatomisch korrekt gebauten, beweglichen Hundes mit gesunder Rute schon recht nahe.
Am 21.03.2004 wurden in Gossau 70 Hunde durch den Allroundrichter Dr. med. vet. Jan Nesvadba vermessen und gesundheitlich überprüft und gemeinsam mit Dr. Hans Räber begutachtet. Auch wenn die Hunde noch recht unterschiedlich waren, vor allem in der Grosse, zeichneten sich doch bereits erhebliche Fortschritte ab. Die auf Grund dieser Begutachtung zur Weiterzucht tauglichen Hunde wurden im Anhang zum Schweizerischen Hundestammbuch (SHSB A) registriert.
Standard
Ziel der Zuchtversuche war, wie bereits gesagt, eine wesentliche gesundheitliche Verbesserung des English Bulldogs. Dieses zu erreichen, hätte jedoch eine Änderung des bestehenden Standards vorausgesetzt, wofür „The Bulldog Club Inc.“ in England allein zuständig ist. Doch von dieser Seite war keine Hilfe zu erwarten, hatte dieser doch den English Kennel Club beauftragt (Brief 14.03.2003) bei der SKG zu intervenieren um ein Verbot der Bezeichnung „Bulldog“ für die Neuzüchtung zu erwirken. Ein solches Verbot kann aber nicht stichhaltig sein, denn „Bulldog“ bezeichnet einen bestimmten Hundetyp, analog den Bezeichnungen „Schäferhund“ oder „Vorstehhund“, die auch für unterschiedliche Rassen gebräuchlich sind.
Also überarbeitete Dr. Hans Räber 2002 den gültigen EB-Standard so, dass er alle Bestimmungen, die zu einer extremen Auslegung Anlass geben können, entweder strich oder so umformulierte, dass Extremformen inskünftig als Fehler gelten mussten. Dieser erste Standardentwurf wurde in der Folge vom Arbeits-Ausschuss Zuchtförderung (AAZ) der SKG in mehreren Sitzungen diskutiert und bereinigt. Das Ergebnis war folgerichtig ein Standard für eine deutlich vom English Bulldog abweichende Rasse, für die schliesslich der Name „Continental Bulldog“ als richtig und
zutreffend befunden wurde.
Quellenangabe: Imelda Angehrn Pickwick Bulldog 2019 www.pickwick-bulldogs.ch